Inhalt des § 60a UrhG Unterricht und Lehre

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Ausnahmetatbestände für die Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials in der Lehre ab März 2018 (§ 60a UrhG)

Im Juni 2017 beschloss der Bundestag die Einführung des neuen Unterabschnitts 4 „Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ in das Urheberrechtsgesetz. Dadurch wird eine Reihe bereits jetzt schon gesetzlich erlaubter Nutzungen an einer Stelle im Gesetz zusammengefasst und präzisiert. Gleichzeitig werden obsolet gewordene Vorschriften aus dem Gesetz verschwinden, so z. B. § 52a UrhG, der vollständig durch den neuen § 60a UrhG ersetzt wird, und § 53 Abs. 3 UrhG. Diese Änderungen treten am 1. März 2018 in Kraft.

In der Tabelle finden Sie eine Gegenüberstellung der bisherigen Regelungen, die sich speziell auf die Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials in Unterricht und Lehre beziehen, und der neuen Regelungen in § 60a UrhG, die seit dem 1. März 2018 gelten.



Mit Wirkung zum 7.6.2021 wurde u.a. § 60a erneut geändert (und entfristet). ! Der neue Satz 2 von Absatz 3 stellt dabei eine Verbesserung dar, weil er eine Rückausnahme zum Rest von Absatz 3 darstellt. Denn eigentlich dürfen z.B. Vorträge nicht live gestreamt werden (man benötigt eine Lizenz dafür), wenn aber keine Lizenz leicht verfügbar und auffindbar vorhanden ist, kann man sich doch wieder auf § 60a UrhG berufen. Änderungen gab es aber insbesondere für Schulen (zum Kopiervertrag, zum Bezug von Einzellizenzen usw.), daher sind die nachfolgenden Ausführungen nicht mehr in jedem Fall aktuell.

Veranschaulichung im Unterricht

Erlaubt ist nach § 60a UrhG der Einsatz urheberrechtlich geschützter Werke „[z]ur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen zu nicht-kommerziellen Zwecken”. Die Formulierung „zur Veranschaulichung im Unterricht” (§ 52a Abs. 1 UrhG) wird durch die Wendung „zur Veranschaulichung des Unterrichts”, wie sie bisher auch in § 53 Abs. 3 UrhG verwendet wurde, ersetzt, wodurch die bisher damit verbundenen Auslegungsschwierigkeiten entfallen. Der Begriff „Lehre” wird ergänzt. Letzteres dürfte nur kosmetischer Natur sein, da die Hochschullehre bereits in der alten Regelung des § 52a UrhG als vom Begriff des Unterrichts umfasst angesehen werden musste. Waren bisher in § 53 Abs. 3 UrhG Unterricht und Prüfung noch getrennt aufgeführt, ist diese Unterscheidung nun aufgehoben. Die Formulierung „Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre” umfasst auch die dazugehörigen Prüfungen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es dazu:

“Die Veranschaulichung kann ‚im‘ Unterricht erfolgen, aber auch davor oder danach. Daher erfasst die Vorschrift zum einen auch die Vor- und Nachbereitung der eigentlichen Unterrichtsstunden und zum anderen auch die Prüfungsaufgaben und Prüfungsleistungen, die im Verlauf und zum Abschluss des Unterrichts erstellt werden, sowie die Vor- und Nachbereitung von Prüfungen.” (S. 34)

Erlaubte Werkarten

§ 60a Abs. 1 UrhG erlaubt wie bereits § 52a UrhG die Verwendung veröffentlichter Werke aller Werkarten. Dies umfasst die in § 2 Abs. 1 UrhG aufgeführten Werkarten ebenso wie ggf. nicht normierte Werkarten, die die Definition des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen. Beispielhaft seien genannt: Sprachwerke, Lichtbildwerke, Filmwerke, wissenschaftliche oder technische Darstellungen. Einschränkungen werden in Absatz 3 des § 60a UrhG vorgenommen.

Erlaubter Umfang der Nutzung

Der Umfang der erlaubten Nutzung geschützter Werke ist durch einen festen Prozentsatz, aktuell 15 Prozent eines Werkes, in § 60a UrhG bestimmt. Bisher war die Nutzung im Gesetz durch die Formulierung “kleine Teile eines Werkes” beschrieben und durch den Rahmenvertrag zwischen der VG WORT und den Bundesländern auf 12 Prozent, jedoch nicht mehr als 100 Seiten, für Sprachwerke festgelegt. Dieser Grundsatz wird zum einen durch die Aufzählung in Abs. 2 erweitert und zum anderen in Abs. 3 eingeschränkt. Vollständig genutzt werden dürfen Abbildungen (z. B. Fotos, Grafiken), einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift (z. B. Aufsätze, jedoch nicht die gesamte Ausgabe, wenn diese ausschließlich aus Aufsätzen besteht) und sonstige Werke geringen Umfangs (z. B. Beiträge in einer Monographie, Videos/Animationen und Musikstücke von maximal fünf Minuten Länge). Im Gesetzentwurf werden hierfür explizit genannt:

  • Druckwerke bis 25 Seiten,
  • (Musik-)Noten bis 6 Seiten,
  • Filme bis 5 Minuten,
  • Musik bis 5 Minuten.

Neu ist, dass auch vergriffene Werke vollständig genutzt werden dürfen. Abweichend zu den früheren Regelungen wird die Verwendung von Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften nun auf Fachzeitschriften und wissenschaftliche Zeitschriften beschränkt.

Einschränkung der Erlaubnis, insbesondere: Vervielfältigung von Schulbüchern und grafische Aufzeichnung von Musik (Noten)

§ 60a Abs. 3 UrhG schränkt die Erlaubnis des Absatz 1 insofern ein, als Live-Vorführungen und Aufführungen (z. B. Filmvorführung im Kino, Konzerte, Lesungen, Vorträge) nicht aufgezeichnet oder gestreamt werden dürfen. Hierfür ist die Erlaubnis des Rechteinhabers individuell einzuholen.

Laut Abs. 3 dürfen außerdem Vervielfältigungen von Schulbüchern an Schulen nicht erstellt und genutzt werden. Auch nach § 52a UrhG und § 53 Abs. 3 UrhG war dies nicht erlaubt. Hier griffen bisher jedoch vertragliche Vereinbarungen zwischen der VG WORT und den Bundesländern, die dennoch eine Vervielfältigung in geringem Umfang ermöglichten. Ob Vereinbarungen dieser Art erneut geschlossen werden, bleibt abzuwarten.

Nachtrag: Am 04.07.2018 wurde mitgeteilt, dass der sog. Kopiervertrag für Kopien von Schulbüchern an Schulen zwischen Bundesländern und Verwertungsgesellschaften an die neue gesetzliche Lage angepasst wurde. Danach sind nun folgende urheberrechtlichen Nutzungen von Schulbüchern an Schulen erlaubt:
  • Werke zu Unterrichtszwecken dürfen im Umfang von maximal 15 Prozent, jedoch höchstens im Umfang von 20 Seiten je Werk, analog und digital vervielfältigt werden – pro Schuljahr und Schulklasse.
  • Kopien und Scans dürfen immer nur dem eigenen Unterrichtsgebrauch einer Lehrkraft, einschließlich der Unterrichtsvor- und -nachbereitung, dienen.
  • Schulbücher dürfen somit niemals vollständig vervielfältigt werden.
  • Lehrkräfte dürfen Scans digital oder als Ausdruck an ihre Schüler weitergeben. Sie dürfen sie über PCs, Whiteboards und/oder Beamer wiedergeben und im jeweils erforderlichen Umfang speichern, wobei Zugriffe Dritter durch effektive Schutzmaßnahmen verhindert werden müssen.


Des Weiteren nicht erlaubt ist die Vervielfältigung von (Musik-)Noten, soweit diese Vervielfältigung nicht für die öffentliche Zugänglichmachung dieser Noten notwendig ist. Die bisher geltende Regelung des § 53 Abs. 4 UrhG, die das händische Abschreiben von Noten erlaubt, bleibt in § 53 UrhG erhalten. Für die (maschinelle) Vervielfältigung muss eine vertragliche Vereinbarung, die es bisher für den Schulbetrieb gab, abgewartet werden.

Erlaubte Handlungen, insbesondere für digitale Lehrformate

§ 60a Abs. 1 UrhG zählt Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Zugänglichmachung und öffentliche Wiedergabe in sonstiger Weise als erlaubte Handlungen auf. Bisher waren in § 52a UrhG ausschließlich die öffentliche Zugänglichmachung (d. h. Bereitstellung im Internet) sowie in § 53 UrhG die Vervielfältigung und Verteilung an die Teilnehmenden des Unterrichts erlaubt. Durch Nennung der öffentlichen Wiedergabe in sonstiger Weise sind nun alle in § 15 Abs. 2 UrhG genannten Verwertungsarten im Rahmen des § 60a UrhG erlaubt. Dies sind insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (z. B. Vorführen eines kurzen Videos von einer Internetplattform im Rahmen der Lehrveranstaltung, Vortragen einer Textpassage, die den Rahmen des Zitats sprengt) und das Senderecht (z. B. Nutzung geschützter Werke in regelmäßig terminierten Lehrveranstaltungen, die für entfernt wohnende Teilnehmende gestreamt werden). Im Gesetzentwurf wird hier beispielhaft die Vorlesung im Rahmen eines MOOCs genannt. Durch die Nennung aller unkörperlichen Verwertungsrechte des § 15 Abs. 2 UrhG wird Rechtssicherheit für onlinebasierte Lehr- und Lernformen geschaffen.

Privilegierte Bildungseinrichtungen

Anders als in den alten Regelungen wird der Sammelbegriff “Bildungseinrichtung” verwendet, der in § 60a Abs. 4 UrhG definiert ist. Dort werden die privilegierten Institutionen aufgezählt: „frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung”. Neu hinzugekommen sind die frühkindlichen Bildungseinrichtungen (z. B. Kita). Außerdem sind Hochschulen mit der neuen Regelung für alle Nutzungshandlungen privilegiert. So dürfen jetzt insbesondere zusätzlich zur öffentlichen Zugänglichmachung auf Lernplattformen auch analoge Vervielfältigungen angefertigt und die entstandenen Kopien an die Teilnehmenden von Lehrveranstaltungen verteilt werden, was bisher an Hochschulen nicht erlaubt war. Zu berücksichtigen ist, dass die Nutzung der Werke an den privilegierten Einrichtungen nur zu nicht-kommerziellen Zwecken gestattet ist. Ist also der Unterricht bzw. die Lehre auf Gewinnerzielung ausgerichtet (denkbar wären z. B. kostenpflichtige Masterstudiengänge oder andere Weiterbildungsangebote), so ist die Nutzung nicht erlaubt.

Erweiterter Teilnehmendenkreis

Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Unterricht und Lehre ist auf einen spezifischen Teilnehmendenkreis beschränkt. Dieser wird gegenüber den bisherigen Regelungen etwas erweitert und umfasst nun neben den Teilnehmenden und Lehrenden der konkreten Lehrveranstaltung auch KollegInnen der gleichen Einrichtung, die das Material ebenfalls für ihren Unterricht einsetzen, und Dritte, denen Unterrichtsergebnisse z. B. im Rahmen von (Hoch-)Schulveranstaltungen wie einem Weihnachtskonzert oder Tag der offenen Tür (Gesetzentwurf S. 35) präsentiert werden.

Vorrang des Gesetzes vor vertraglichen Vereinbarungen, Pauschalvergütung

Neu und für den rechtssicheren Umgang mit urheberrechtlich geschützten Materialien in Unterricht und Lehre essentiell sind die Vorschriften zum Vorrang der gesetzlichen Regelungen gegenüber individualvertraglichen Vereinbarungen und zur Vergütung. Laut § 60g Abs. 1 UrhG gehen die gesetzlichen Regelungen des § 60a ff. UrhG vertraglichen Vereinbarungen vor. Vertragliche Vereinbarungen, die die dort normierten gesetzlichen Erlaubnisse betreffen und diese einschränken, sind ungültig. § 60h UrhG schreibt fest, dass die für die Nutzungen geschuldete Vergütung in Form einer pauschalen Vergütung oder basierend auf einer repräsentativen Stichprobe zu leisten ist. Dort heißt es genau:

„Eine pauschale Vergütung oder eine repräsentative Stichprobe der Nutzung für die nutzungsabhängige Berechnung der angemessenen Vergütung genügt.”

Dadurch ist die Ende 2016 vieldiskutierte Einzelabrechnung, die einen stark erhöhten administrativen Aufwand bedeutet hätte, endgültig keine Option mehr.

Quellenangabe

Selbstverständlich ist das Erfordernis der Quellenangabe für alle Nutzungen im Rahmen des § 60a UrhG. Genaueres hierzu regelt § 63 UrhG.

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